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Wie Ansässigkeit den Umfang der Besteuerung beeinflusst

Aktualisiert: 16. Okt. 2023

Bevor jemand endgültig in ein anderes Land umgesiedelt ist durchläuft er eine besondere Periode, man könnte sie die graue Phase nennen, in der die steuerliche Ansässigkeit ihre Orientierung verliert. Sie endet, sobald für alle Beteiligten und Beobachter die Ankunft im anderen Land augenfällig geworden ist, beginnt jedoch eher unbestimmt als Handlungskonsequenz einer Vorbereitungsphase, die sich je nach den Umständen des Einzelfalles manchmal über Jahre hinzieht und damit selbst wieder Fakten schafft, die die Farbskala des Grautons verändern.


Gemeint sind hier nicht die Fälle des radikalen Ansässigkeitswechsels, bei dem jemand mit Sack und Pack auswandert, koste es was es wolle, und sich bei seinem Einwohnermeldeamt verabschiedet. Das Äquivalent eines solchen Wegzugs rangierte in Südafrika früher – das ist den Devisenregularien geschuldet - unter «financial emigration». Hierzu waren alle Assets zu liquidieren und über das berühmte Formular MP336(b) der Bank Vollzug zu rapportieren. Das Verfahren liegt seit März 21 in den Händen des Fiskus, der mit seinen schwer verdaulichen Registrierungsformalia nicht nur für den Inbound-Fall, sondern von nun an auch für die Verwaltung des Outbound zuständig zeichnet: erst nach erfolgreichem Tax Clearance wandert der Vorgang an die Hausbank zur Freigabe des Vermögens. Forthin bleibt die Kohle so lange im Land, wie Steuerschulden (selbst geringfügige) oder Verfahrensfragen offen sind. Basta.


Wer sich immer schon wunderte, wie Südafrika überhaupt ohne ein Einwohnermelderegister auskommen konnte, das - wie in Deutschland - als wichtige Informationsquelle nicht nur die öffentliche Verwaltung oder den Fiskus updatet, der wird hier erkennen müssen: Südafrika zäumt das Pferd von hinten auf. Doch letztlich geht es bei beiden Exekutiven um das Steueraufkommen. Es erscheint deshalb nur logisch, die Registrierung gleich auf diejenige Institution zu übertragen, deren Job eben die Steuereintreibung ist.


In Ermangelung eines solchen Bürgerbüros verfallen Zuzügler schon mal gerne dem Gedanken, der südafrikanischen Steuerverwaltung SARS stehe wohl kein Anlassgeber für Nachfragen zur Seite und, da sie nicht von sich aus tätig werden kann, ruht der stille See. Hier wird man vorsorglich daran erinnern müssen, dass bereits das bloße Versäumnis, sich bei steuerrelevanten Sachverhalten registrieren zu lassen, ein strafbewehrtes Steuervergehen darstellt.


Ob FICA-Regeln bei der Bank, automatisierte Vermögens- und Einkünfte-Reports sowie Drittbestätigungen, wie das seit 8/2023 eingeführte Trust-Reporting, um nur einige zu nennen: die digitalisierten Informationsströme fließen unbeschadet einer steuerlichen Anmeldung in den Datenspeicher der Finanzverwaltung, bevor sie irgendwann ein Algorithmus verknüpft. Es dürfte sich langfristig deshalb kaum lohnen, als Ausländer den Schutz seiner Aufenthaltsgenehmigung gedankenlos in den Ring zu werfen.


Welche steuerlichen Anknüpfungspunkte gibt es für nicht in Südafrika Ansässige? Das können klassischerweise Mieteinkünfte und Zinserträge sein. Hierunter fällt auch, wenn die Ferienresidenz zur Übertragung ansteht, Erbschaften sowie die Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerausländer und seiner unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft am Kap. Übrigens: solche Sachverhalte bereits in der deutschen Steuererklärung berücksichtigt zu haben, rechtfertigt gegenüber SARS keine mildernden Umstände.


Versteckter ist der steuerliche Nexus bei Schenkungen oder solchen Einkünften, für die nur ein Laptop in Südafrika benötigt wird, das Geld jedoch in einem anderen Land eingeht. Das gilt gleichermaßen bei steuerlicher Ansässigkeit oder ohne. Auch erwächst bei langfristigem Aufenthalt oder bei Projektentwicklungen, die in Südafrika von Non-Residents betrieben werden sowie bei Künstlern und Sportlern eine Steuerpflicht in Südafrika.


Gemeinsames Thema bei diesen Sachverhalten ist deren Verortung als südafrikanische Quelle, was bei Fragen zum Umfang der Besteuerung Vorrang vor Ansässigkeitsüberlegungen hat. Quelleneinkünfte fußen auf dem Belegenheitsprinzip (Immobilien) oder auf dem Ort der Bewirkung (z.B. Arbeitsleistung) bzw. ergeben sich aus den Definitionen einer Betriebsstätte - letztere ist nichts anderes als die außensteuerliche Niederlassung des eigentlich beschränkt besteuerpflichtigen Heimatunternehmens.


Die Frage der Einkommensquelle ist nur die eine Seite. Weit spannender wird sie bei Wechsel der Ansässigkeit oder gar bei doppelter Ansässigkeit.


In beiden Ländern ist das Welteinkommen Besteuerungsprinzip mit der Folge, dass im Ansässigkeitsstaat stets auch die Einkünfte des anderen Landes mit zu deklarieren sind. Es wäre also falsch, im Land der unbeschränkten Steuerpflicht Einkünfte unter den Teppich zu kehren, die im anderen Staat als Quelleneinkünfte bereits beschränkt versteuert wurden. Geradezu abwegig wäre jedoch, den Wechsel der Ansässigkeit nicht erkennen zu wollen und Steuern im falschen Land zu bezahlen. Dagegen hilft auch kein Doppelbesteuerungsabkommen!


Denn Abkommen vermeiden zwar die zweimalige Versteuerung der gleichen Einkünfte, ebnen jedoch nicht die Unterschiede zwischen den nationalen Besteuerungssystemen und ihren Bemessungsgrundlagen; sie greifen auch nicht in die Steuerverwaltung der betroffenen Staaten ein: So bewirken dauernde oder konjunkturbedingte Steuererleichterungen des einen Staates (man denke nur an die Verschonung des Immobilienvermögens in Deutschland oder die sehr unterschiedliche Förderung erneuerbarer Energien) keine Einschränkungen des Besteuerungsrechts im anderen Staate, wenn in letztem diese Einkünfte nicht aus anderen Gründen freizustellen sind.


Mit der Deklarationspflicht für Einkünfte des steuerbeschränkten Staates, was besonders bei Wertzuwächsen aus der südafrikanischer Besteuerungsdynamik schmerzhaft wirkt, verfolgt der Fiskus auch regulative Ziele. Eines dieser ist, das Progressionsgefälle anzugleichen oder die Anrechenbarkeit von ausländischen Quellensteuern bei nicht der Progression unterliegenden Einkünften zu kanalisieren.


Eine Besonderheit ergibt sich in diesem Zusammenhang für Auswanderer nach Südafrika, als deren Folge die Möglichkeit der gemeinsamen Veranlagung entfällt. Zudem gewährt Deutschland im Gegensatz zu Südafrika den Versorgungsfreibetrag nur bei unbeschränkter Steuerpflicht.


Das führt zu individuellen Härten, weil gerade bei niedrigem Einkommen insgesamt mehr Steuern auf diese Einkommen anfallen als vor dem Wegzug. Das hat mit Doppelbesteuerung nichts zu tun und die Tatsache, dass Südafrika netterweise Einkünfte regemäßig steuerfrei stellt, bringt hier keine Entlastung. Zur Vermeidung solcher Nachteile, die gerade Auslandsrentner mit ihren deutschen Einkünften verärgert, gewährt das Einkommensteuergesetz auf Antrag zumindest eine Progressionsentlastung, die Berücksichtigung von Versorgungaufwendungen und gewährt je nach Sachverhalt auch die gemeinsame Veranlagung. Voraussetzung: deren nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte sind unwesentlich. Die bei der sog. fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht eingezogene doppelte Wesentlichkeitsgrenze erlaubt leider wenig Gestaltungsfreiheit. Besonderheit: die aufgrund der DBA-Grenzen ermäßigt versteuerten deutschen Kapitalerträge erhöhen den Vergleichsanteil der auf 10% des Gesamteinkommens begrenzten Auslandseinkünfte (relative Grenze). Letzte dürfen dabei den (absoluten) Grenzbetrag von 5.174 € nicht überschreiten.


Gerade bei Beziehern passiver Einkommen könnte es deshalb steuerlich vorteilhafter erscheinen, die Ansässigkeit in Deutschland nicht aufzugeben.


Ist das mit einer Anwesenheit in Südafrika vereinbar?


Bei Expats, also denjenigen, die in Südafrika ihre Wahlheimat gefunden haben, wird sich eine deutsche Ansässigkeit wohl kaum über den gewöhnlichen Aufenthalt argumentieren lassen. Verfügt dieser dort jedoch weiterhin über eine Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er sie beibehalten und benutzen wird, vermittelt ihm diese die unbeschränkte Steuerpflicht, selbst wenn er zwischenzeitlich in Südafrika resident geworden ist.


Anders herum endet mit der Aufgabe des deutschen Wohnsitzes (Abmeldung) die unbeschränkte Steuerpflicht, egal ob man für immer oder mittelfristig nach Südafrika eingereist ist – freilich außer der Auslandsaufenthalt ist nachvollziehbar nur vorübergehend angelegt.


Betrachtet man Südafrika, wo die Kriterien der Ansässigkeit («resident») von den Tie-Breaker-Rules des Doppelbesteuerungsabkommens regiert werden, verliert dort jeder Steuerinländer in dem Moment die unbeschränkte Steuerpflicht, wo er abkommensrechtlich als in einem anderen Land als ansässig gilt. Das ist vor allem dann bitter, wenn er dadurch ungewollt für Steuern auf die stillen Reserven seines Weltvermögens zur Kasse gebeten wird, was das Wesen der Exit-Besteuerung ist.


Anders herum darf ihn Südafrika erst dann mit seinem Welteinkommen veranlagen, wenn das Doppelbesteuerungsabkommen seine Ansässigkeit diesem Staat zuordnet.


Soweit zur Theorie. Komplexer wird es bei der praktischen Frage, zu welchem Zeitpunkt sich die unbeschränkte Steuerpflicht in Südafrika bei Einreisenden begründet, die noch woanders einen Wohnsitz unterhalten. Eine einwohnerrechtliche Anmeldung gibt es ja bekanntlich nicht, aus der sich ein solches Datum ablesen ließe. Auch abkommensrechtlich lässt sich aufgrund der Verwendung einer Vielzahl von offenen, unbestimmten Begriffen das Thema nur einzelfallbezogen beurteilen und nicht punktgenau bestimmen. Es lässt sich aber eingrenzen.


In unserem vorstehenden Sack & Pack Beispiel, wo die deutsche Wohnung zugunsten Südafrikas aufgegeben wird, besteht im DBA kein Regelungsbedarf für die Ansässigkeit. Durch diesen Umstand wird Südafrika schlicht und einfach zum alleinigen und damit gewöhnlichen Aufenthaltsstaat und der Zureisende zum «ordinarily resident», auch wenn noch keine Daueraufenthaltserlaubnis vorliegt.


Auf der anderen Seite der Grauskala stehen die Fälle deutscher Staatsangehöriger mit starker persönlicher und wirtschaftlicher Verflechtung sowie eigenem Wohnsitz in Deutschland, deren Aufenthalte in Südafrika durchaus länger als die warme Saison hinüberdauern können. Abkommensrechtlich werden Sie auch nach Jahren des Herumtingelns nicht als in Südafrika ansässig betrachtet und je nach Vorliegen sachlicher Anknüpfungspunkte mit dem Fiskus wohl keine Bekanntschaft zu machen haben.


Zwischen den beiden Extremen durchlebt man die eingangs erwähnte graue Phase, in der sich die Ansässigkeit mehr oder weniger gesteuert ergibt oder diese eben vermieden werden kann. Je nach Lebensumständen und -planung sollte das Thema schleunigst dann einer Klärung zugeführt worden sein, wenn der Betreffende den südafrikanischen Anwesenheitstest (physical presence test) reißt. Denn spätestens hier hat die Finanzverwaltung konkreten Anlass, die Validität einer abkommensrechtlich anderen Wohnsitzzuordnung zu hinterfragen.


Wird der Start der unbeschränkten Steuerplicht in Südafrika nämlich übersehen, droht nicht nur dort Ungemach, auch knüpfen in Deutschland einige Bestimmungen wie das Außensteuergesetz an die abkommensrechtliche Ansässigkeit mit dann oft verheerenden finanziellen Folgen.


Beim Thema Ansässigkeit ist also stets zwischen den nationalen Bestimmungen und den abkommensrechtlichen Definitionen zu unterscheiden. Beide wirken sich in den Ländern unterschiedlich, manchmal gegenseitig bedingend aus mit weitreichenden finanziellen Folgen. Beratungen zur Ansässigkeit thematisieren vorrangig steuerliche Nachteile, weil sich jeder zunächst innerhalb seines ursprünglichen Steuerrechtsumfeldes optimal einzurichten versucht hat, nun jedoch mit einer neuen, regelmäßig teureren Wirklichkeit konfrontiert wird.


Ihr Anselm Steiner MA, MSc Taxation, Steuerberater, Chartered Tax Adviser (SAIT) © Steiner Tax Consultants Pty. Ltd., Cape Town - www.steiner-taxconsultants.com

Stand 9/2023

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